Sender: steve@Neuromancer Date: Sat, 15 Jun 1996 17:57:58 +0200 From: Stephan Egey Mime-Version: 1.0 To. Sibylle Maier Cc: Christian Hogl Subject: Kleiner Bericht ueber grosse Ereiqnisse! Liebe Billy, lieber Christian die Abgabe meiner Diplomarbeit zoegerte sich ja bereits seit einigen (vielen?) Monaten heraus. Letzte Woche platzte mir der Kragen und ich beschloss (zum x.ten Male!) die Arbeit bis spaetestens Freitag abzugeben. Am naechsten Montag verschob ich's wiederum auf Freitag, diesmal aber deutlich auf Krawall gebuerstet. Tja, dann habe ich mit Professor Ucsnay geredet und der meinte ploetzlich OK, geben sie doch am Freitag um 11.00 Uhr ab. Das war am Mittwoch um 17.00 Uhr. Da bekam ich ploetzlich ein ziemlich schlechtes Gewissen und meinte, dass wuerde doch knapp werden (wie Ihr seht, konnte ich das schwaecheln nicht lassen). Er sagte: "Da muessen sie wohl Nachtschichten einlegen". Main Problem war, dass ich bei jedem Durchgang der Arbeit pro Seite etwa 5 Anmerkungen machte und alle 10 Seiten echte, fabrikneue OEM-Fehler fand (zudem dauerte jeder Durchgang mehrere bis viele Stunden). Deshalb wollte ich die Arbeit noch mindestens zweimal durchgehen. Voellig k.o. setzte ich mich an Mittwoch um 19.00 Uhr an den Schreibtisch. zuerst trank ich eine Tasse Kaffee. Drei Tassen spaeter fuehlte ich mich nicht mehr ganz so KO. Ich begann die Arbeit zu lesen. Ich komme auf Seite 12(von 78). Uhrzeit: 22.00 Uhr. Schlecht, denke ich, bleibe aber wirklich cool und mache weiter. 02.00 Uhr: Ich komme auf Seite 35. Das wirklich erstaunliche hierbei ist, dass ich gar nicht mehr recht muede bin (trinke auch jede Stunde einen Kaffee). Jetzt kann ich 20 Seiten weiterblaettern, hier hatte ich schon viel korrigiert. 04.00 Uhr: Das Skript ist durchkorrigiert (auf dem Papier jedenfalls) und ich beginne langsam, auch die weniger leckeren Vorraete aufzuessen. Erstaunlich, was man fuer Hunger bei Nachtarbeit entwickelt. Jetzt muss ich nur nocch die ganzen Aenderungen LaTeXen (wieder so 3 pro Seite, aber nur ein einziger echter Fahler im qanzen Skript!). 06.00 Uhr: Warum gibt es denn nix mehr zu essen? Mein Magen rebelliert beim Gedanken an einen weiteren Schluck Kaffee). Ich steige auf Tee um. Meinen letzten Kaeserest auch noch ohne Brot zu vertilgen, schaffe ich allerdings nicht mehr. Da esse ich doch lieber eine Tuete Chips (wuerg). Wenigstens geht die Sonne auf. 08.00 Uhr: Fertig mit dem Korrigieren. T-27 Stunden. Aha, um diese Zeit ist also Hochbetrieb bei uns im Bad. Komisch, ist mir bisher noch nie aufgefallen, wenn ich aufsteh', ist immer alles ruhig. Jetzt muss ich nur noch lx durch. Aber ich fuehle mich etwas seltsam. Mir ist halb schlecht und ich ertappe mich immer wieder dabei, dass ich mich in endlosen Gedankenstraengen verheddere. Ich dackele los, hole was zu essen. Zuhause stelle ich fest, dass ich nur Puffreis-Schokolade und Bananen vertrage. Ich fange das Korrekturlesen neu. an. 10.00 Uhr: Sollte ich doch erst mal schlafen? Andererseits wollte Andrea so um 11.00 anrufen und mir die Ergebnisse ihres Korrekturlesens mitteilen. Ausserdem ist es schon fraglich, ob ich wacher werde, wenn ich jetzt 1-2 Std. schlafe. 12.00 Uhr: komme gut voran, finde alle drei Seiten eine Kleinigkeit. Ist das Skript jetzt OK oder bin ich nur zu KO, um die Fehler zu sehen? Entschliesse mich, doch noch das Lemma aufzunehmen, das Ucsnay mir beim letzten Treffen vorschlug. 13.00 Uhr: Das war wohl keine gute Idee. Ich habe die Notation des Beweises veraendert und ertappe mich immer wieder dabei, dass ich auf den Preview starre und nur kleine schwarze Piktogramm erkenne. KeLpiere immer weniger, ausserdem staendig LaTeX-Fehler, da in dem ganzen Klammersalat die eine oder andere verloren gegangen ist. 16.00 Uhr: Bis 20.00 Uhr muss ich fertig sein, da geht's ins Theater, ausserdem ist es unklar ob die Steigerung der Bearbeitungsdauer der Diplomarbeit von 2.5 Jahren auf 2.5 Jahren und 4 Stunden wirklich noch was bringt. 17.00 Uhr: Wenn ich nicht nur diese Blaehungen von Puffreis und Bananen haette! 18.00 Uhr: Jetzt ist wirklich der Ofen aus. Ich fuege eine Fallunterscheidung in einen Beweis ein und zoegere ploetzlich. Ist sie nun notwendig oder nicht? Ich kann mich nicht mehr entscheiden. Was ist richtig und was falsch? Auf jeden Fall sieht der Beweis kompliziert aus. Vielleicht sollte ich jetzt nix mehr aendern... andererseits ist dies die LETZTE CHANCE, ihn zu verbessern. 18.30: Ich entschliesse mich zu einem Kompromiss: Ich schreibe einfach: Der Fall ... ist trivial. Wenn die wuessten! Ich kann mir das Laecheln nicht verkneifen. Eigentlich freut mich das Ganze so, dass ich erst mal fuenf Minuten grinsend im Kreis herumlaufe. Irgendwie laufen die Dinge etwas seltsam in meinem Kopf ab. 19.45: Ich nutzte die Zeit damit, mich mit "xfig" herumzuaergern, um eine 1cm^2 grosse Zeichnung von 5 Punkten und Strichen in die Arbeit einzubauen und alles, bis auf das arste Kapitel auszudrucken (da gehoert die Zeichnung rein). Andrea holt mich ab. 20.00 Uhr: Das Theaterstueck ist polnisch. Hatte ich ganz vergessen. Simultanuebersetzt. Oh, und es dauert nur drei Stunden. Das Licht geht aus. Seltsame Leute betreten die Buehne und reden polnisch. 24.00 Uhr: Wieder am Computer. Andrea mault; sie will schlafen gehen. Irgendwie ist sie schon den ganzen Tag so muede. Aber ich muss noch die "Widmung" fertigmachen und das erste Kapitel ausdrucken. 01.00 Uhr: Alles fertig. Bei der Durchsicht des Skripts stellt sich heraus, dass Seite 22 zweimal vorhanden ist. Das Einfuegen dieser winzigen Graphik hat das erste Kapitel um eine Seite verlaengert. Tough luck! Alles nochmal ausdrucken. Zum Glueck ist noch ein Rest Papier da! 01.20 Uhr: Ins Bett! 07.45 Uhr: Auf, auf, zum Drucker! 08.20 Uhr: Wieder ins Bett. 10.00 Uhr: Wieder aufgestanden. Was braucht man eigentlich so alles zur Abgabe? Hmmm, ziemlich lange Liste. Erst mal drei eidesstattliche Erklaerungen. Schreibe sie mit groesster Hektik. Seminarscheine. Zeugnisse. Studienbuecher (Ich habe zwei seit mainem Wechsel). Andrea fragt, ob alles in Ordnung sei. Ich beruhige sie und leere erst mal zwei Schubladen meines Schreibtisches auf den Boden. Irgendwo muss das Zeug ja sein. 10.40 Uhr: Vor meinen Augen schwebt ein Frischkaesebrot und eine Stimme sagt, ich solle mal beissen. Keine Zeit, KEINE ZEIT! 10.50 Uhr: Beim Drucker. Irgendwelche Deppen wollen irgendwas von dem armen Mann und mehr brennen die Sohlen unter den Fuessen!! 11.00 Uhr: Matheinstitut. Die Uhr dort behauptet freundlicherweise, dass es erst 10.57 Uhr sei. Tja. Spaeter: Katzenjammer. Das lustige Leben ist jetzt wohl vorbei. Wenn ich Pruefungen mache wie geplant, muss ich mich abrackern wie verrueckt. Ich fuehlte mich schlecht. --- Tja, wie ihr seht, habe ich die Unausprechliche wirklich abgegeben... wer haett's gedacht. :-) , Stephan!